„Wir machen uns ernsthafte Sorgen um unsere berufliche Zukunft und wollen jetzt die Weichen neu stellen“, sagten Max Klockemann, stellvertretender Vorsitzender der Junglandwirte Niedersachsen, aus Bad Münder im Weserbergland, und Manuel Borchert aus Brome im Landkreis Gifhorn. Die beiden Ackerbauern hatten mit anderen Teilnehmenden der Weiterbildung „Studienkurs Niedersachsen“, mit Philipp Hattendorf, Vorsitzender der Junglandwirte Niedersachsen, und mit Christine Kolle, Geschäftsführerin der Junglandwirte Niedersachsen, im Rahmen der IGW in Berlin am 24. Januar Gelegenheit zu einem Austausch mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir.
Der Minister betonte, es brauche ein Zusammenspiel von noch nachhaltiger wirtschaftenden konventionellen und noch produktiveren ökologischen Betrieben. Beide könnten dabei voneinander lernen. Klockemann sagte: „Die junge Generation ist offen für die Änderungswünsche der Gesellschaft und in puncto Nachhaltigkeit längst auf dem Weg.“ Beispielhaft verwies der Junglandwirt auf seinen elterlichen Betrieb als einen von 100 Betrieben, die am „Netzwerk Leitbetriebe Pflanzenbau“ des BMEL teilnehmen. Ziel des Netzwerkes ist es, modernen biodiversitäts- und umweltschonenden Pflanzenbau für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen. Zudem verfolgt der Junglandwirt Ansätze der Regenerativen Landwirtschaft und macht mit bei der Aktion „Bienenfreundlicher Landwirt“ der Landvolk-Initiative Eure Landwirte – Echt grün. „Wir wollen weiterhin Lebensmittel erzeugen. Der Landwirt der Zukunft kann jedoch viel mehr“, ergänzt der Junglandwirt. „Wir können uns beim Thema Biodiversität als Leistung für die gesamte Gesellschaft noch viel mehr vorstellen.“ Der Minister und Klockemann waren sich einig, dass diese Leistung jedoch vergütet werden muss.
Bei den Erneuerbaren Energien sieht Borchert einen weiteren Tätigkeitsschwerpunkt für den Landwirt der Zukunft. „Auch hier können wir uns noch mehr vorstellen – wenn die Vergütung passt“. Auf dem elterlichen Betrieb sind die Dächer bereits mit Photovoltaik bestückt. Aktuell plant der Ackerbauer zudem gemeinsam mit anderen Landwirten einen Windpark mit Bürgerbeteiligung. Auch Minister Özdemir sagte, er sehe in Erneuerbaren Energien eine zusätzliche Einkommensquelle für die Landwirtschaft. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien dürfe aber nicht mit Flächenverlusten für die Landwirtschaft einhergehen. Das gefährde Entwicklungschancen für junge Landwirtinnen und Landwirte und damit die Hofnachfolge. Die Bundesregierung wolle daher auch Agri-Photovoltaik stärken, die eine umfassende landwirtschaftliche Tätigkeit weiterhin möglich macht.
Fehlende Praxistauglichkeit bei Fördermaßnahmen und gesetzlichen Vorgaben sowie generell fehlende Planungssicherheit waren ein weiteres Thema der Junglandwirte. „Bei gesetzlichen Vorgaben muss die Landwirtschaft künftig vorher eingebunden werden“, betonte Klockemann. Er bat den Minister zudem, keine weiteren Kommissionen oder Arbeitsgruppen einzuberufen, sondern die vorliegenden Ergebnisse umzusetzen. Auf den Betrieben muss endlich Ruhe einkehren. „Ständig neue Regelungen, die sich dazu alle Nase lang ändern – das muss aufhören“, brachte es Klockemann auf den Punkt.
Mit Blick auf das Erstarken des rechten Randes der Gesellschaft auch in Niedersachsen betonte Borchert, dass er bereits die fünfte Generation auf seinem Hof ist: „Wir leben und arbeiten hier sehr gerne, und stellen uns eindeutig gegen jegliches braune Gedankengut“. Der Junglandwirt sieht die Landwirtschaft mit ihren Arbeitsplätzen und ihrem ehrenamtlichen Engagement, das im Dorf und in der Region weit über die Landwirtschaft hinaus geht, ganz klar als Anker im ländlichen Raum. Damit das so bleibt, ist die Wertschöpfung in der Landwirtschaft ein Schlüsselthema. „Wir wollen hier nicht weg“, ergänzte Borchert. Jeder landwirtschaftliche Betrieb, der aufgibt, schwächt den ländlichen Raum und spielt den Rechten in die Hände. Der Minister hob in diesem Zusammenhang den Slogan „Landwirtschaft ist bunt“ heraus als deutliches Zeichen gegen rechts bei den jüngsten Kundgebungen.
Der „Studienkurs Niedersachsen“ ist eine Weiterbildung der Akademie Junglandwirte Niedersachsen, bei der sich unter der Leitung von Berndt Tietjen jährlich 12 Junglandwirtinnen und Junglandwirte für das landwirtschaftliche Ehrenamt qualifizieren.